Weitere Alkoholverbotszone in Wien?

Vorbereitung auf einen Wahlkampf der „alternativen Fakten“.

ÖVP-Wien Sicherheitssprecher Karl Mahrer ist laut einer kürzlichen Presseaussendung „alarmiert“ über die Zustände am und um den Bahnhof Wien Meidling.[1]

Laut ÖVP-Meidling Bezirksrat Zlabinger, würde es seit der Eröffnung des Hauptbahnhofs in Favoriten „am Meidlinger Bahnhof immer schlimmer“ für Passanten und GeschäftsmitarbeiterInnen in Bezug auf alkoholisierte Personengruppen. Zugleich meint die Bezirks-ÖVP, dass eine engere Zusammenarbeit von SozialarbeiterInnen, Polizei, Unternehmer- und AnrainerInnen, sowie eine „Attraktivierung“ des Vorplatzes, um „Menschen zum Bleiben“ anzuregen, für eine Verbesserung der Situation ausreichend wäre[2].

Ganz anders und wesentlich dramatischer sieht das die ÖVP-Wien, die fordert „…,dass die Gewährleistung von Sicherheit ganzheitlich, umfassend und vor allem präventiv mit zahlreichen stadtpolitischen Maßnahmen angegangen wird.“

Am Beispiel des Alkoholverbots am Praterstern „berichten“ laut K. Mahrer „sowohl die Polizei, als auch die Bevölkerung von einer Verbesserung der Zustände.“

Wie #WienAnders mehrmals berichtet hat, hat sich die „Situation“ am Praterstern lediglich in die umliegenden Wohngebiete verlagert – StreetworkerInnen wird die Arbeit dadurch erschwert, Lösungsansätze wie ein weiteres Betreuungszentrum, Ausbau der Sozialarbeit und bessere Grundversorgung der Betroffenen sind bisher nicht einmal angedacht; der ‚Grünen‘ Bezirksvorsteherin liegen bereits zahlreiche Beschwerden von AnrainerInnen vor, die es vor dem Alkoholverbot nicht gab.

Zurück zum Bahnhof Meidling und dem ersten Eindruck, dass auch dort scheinbar Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, „unsichtbar“ gemacht und aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden sollen.
In genanntem bz-Artikel, kam es nach Anfrage bei der Polizei nämlich „zu keiner Zunahme an kriminalpolizeilichen Fällen“.

 

Auf aktuelle Nachfrage von Wien Anders beim Sucht- und Drogenkoordinator der Stadt Wien, Ewald Lochner, liegt nach Aussage von SozialarbeiterInnen und Polizei auch derzeit keine Beschwerdelage von AnrainerInnen oder Geschäftstreibenden – und somit keinerlei Handlungsbedarf vor.

Auch der von der Bezirks-ÖVP angekündigte „runde Tisch“ war offenbar nicht mehr, als die monatliche Sitzung des Sozialausschusses der Bezirksvertretung – eine entsprechende Veranstaltung mit AnrainerInnen und der Sucht- und Drogenkoordination fand jedenfalls nicht statt.

Nichts habe sich demnach seit der Eröffnung des Hauptbahnhofs „verschlimmert“ – der Meidlinger Bahnhof ist auch weiterhin kein „Hotspot“, an dem soziale Probleme besonders deutlich sichtbar würden.

Ganz abgesehen davon befindet sich die Alkoholverbotszone am Praterstern in einer einjährigen Testphase, nach der eine neuerliche Evaluierung seitens der Stadt stattfinden wird und bis dahin sind weitere „Spontanmaßnahmen“ in puncto Alkoholverbotszonen nicht geplant.
Wie es scheint, bezieht die ÖVP-Wien also lediglich Stellung in Hinblick auf den kommenden Wien-Wahlkampf, um das Feld beim Thema „saubere Stadt“ – nicht „sauber“ im Sinne der MA 48 – sondern durch Verdrängung von Menschen und sozialpolitischen Problemen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, nicht gänzlich der neuen Ludwig-Regierung zu überlassen.

Wie zu erwarten, wird es daher bis 2020 in Wien nicht um gesellschaftliche Teilhabe, Demokratisierung, Mitbestimmung, Existenzberechtigung und urbanen Lebenswert für alle gehen, sondern lediglich um einen Wettbewerb, wer mit welchen restriktiven Maßnahmen (die natürlich alle Einwohner betreffen werden) der Stadt in Zeiten wachsender Armut eine wirkungsvollere Schein-Fassade verpassen kann und den dafür notwendigen „Sicherheits-Trigger“ geschickter einsetzt.

Dieses vermeintlich kleine Streitfeld von diversen Verboten steht aber für einen sehr umfassenden Bereich der Stadtpolitik, in dem auch einzelne Vorschläge, wie etwa verstärkte Sozialarbeit keine Lösung bieten.

Zusätzlich braucht es Grundversorgungen, prinzipiell leistbaren Wohnraum für finanziell Benachteiligte als sinnvolle Prävention, für akut von Wohnungslosigkeit Betroffene, kostenfreien Wohnraum mit respektvoller individueller Betreuung – und zentrale Erreichbarkeit von mehreren Einrichtungen für Suchtkranke (Stichwort geplante Verlagerung des ‚Jedmayer‘ als einziges Sucht-Betreuungszentrum an den Stadtrand) – mit anderen Worten, ein „echtes“ Konzept.
Wer Politik nur noch auf populistische Einzelaktionen beschränkt und das Zusammenwirken der unterschiedlichen gesellschaftlichen und sozialen Themen ignoriert, nur um die negativen Entwicklungen vor einem Manager-Ranking (Mercer-Studie) zu verbergen, obwohl Verbesserungen und tatsächliche Prävention von Verschlechterungen durchführbar sind, hat längst vergessen, dass ‚Politik‘ kein periodisches Geschäft ist, sondern zukunftsbewusste Gestaltung für, und vor allem – mit – Menschen bedeutet.

1) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20181018_OTS0075/oevp-wien-fordert-umfassendes-sicherheitskonzept-und-alkoholverbot-rund-um-meidlinger-bahnhof
2) https://www.meinbezirk.at/meidling/c-lokales/bahnhof-meidling-ein-runder-tisch-fuer-die-sicherheit_a2724443?fbclid=IwAR3suOrYmRObaaY7jgb99rg_d0L4ljcn7kAcz_5G3G-GWpxMivKi1cFDAdQ