Ohne Göd ka Musi?

Lärmen, Musizieren, lautes Musikhören und der Betrieb von lärmerzeugenden Geräten ist in den Anlagen und Fahrzeugen der Wiener Linien nicht erlaubt«, heißt es in der Hausordnung der Wiener Linien. Musiker, wie sie gelegentlich von U-Bahnwaggon zu Waggon ziehen und den Hut für Spenden aufhalten, werden aus den Stationen und Fahrzeugen gewiesen, so sie erwischt werden. Das wird als Betteln mit Instrumenten verstanden und das will man nicht.


Aber Wahlen rücken näher und das bestimmende Thema ist die Sicherheit. Naheliegend, ein neues Sicherheitskonzept vorzulegen. Stadträtin Ulli Sima tat das bei der letzten SPÖ-Klausur für die Wiener Linien. So soll die Beleuchtung der Stationen laufend auf LED umgestellt werden. In Stationen mit hoher Frequenz werden Service-Points mit Notrufsäulen aufgestellt. Und bis Anfang 2019 sollen etwa 120 speziell ausgebildete Security-Mitarbeiter und 210 Service-Mitarbeiter statt in den Stationshäuschen auf den Bahnsteigen unterwegs sein — die können auch dann eingreifen, wenn jemand auf dem Bahnsteig unerlaubt musiziert.

Für einige wenige MusikerInnen soll in Zukunft aber eine Ausnahme gelten. Dafür wurde ein Event mit dem Namen »Die große Chance« erfunden und als Teil des Sicherheitskonzepts verkauft. Die Teilnahmebedingungen lesen sich ungefähr so: Sie sind Musiker und älter als 18 Jahre? Sie verfügen über eine zustellfähige Meldeadresse in Österreich oder einem anderen EU-Staat? Sie verfügen über ausreichende Deutschkenntnisse? Dann haben sie alle Voraussetzungen, um am Projekt »U-Bahn Stars« teilzunehmen. Frau Stadträtin Ulli Sima hofft, dass »viele Talente mitmachen, um künftig vor dem tollsten Publikum der Welt, unseren Fahrgästen, zu spielen«.

Wenn Sie sich bei den Castings durchgesetzt haben, dürfen Sie dann zu festgelegten Zeiten und Orten zum Nulltarif spielen. Weder für Ihre Unversehrtheit noch für die Ihrer Instrumente kann leider Haftung übernommen werden. Strom wird auch nicht zur Verfügung gestellt. Sie haben aber die Möglichkeit, einen Hut hinzulegen, und das gesammelte Geld für Ihre eigenen Zwecke zu verwenden. Bei den Musikern selbst stößt die Aktion auf breites Unverständnis.

»Das wird als Chance verkauft«, sagt David Stellner, der lange Straßenmusik gemacht hat und Down Under The Bridge organisierte, ein Konzert von Singer-Songwritern und Bands am Donaukanal. Aber die Aktion sei »eine Lüge. Du stellst dich da hin als Musiker und erbringst eine Leistung für die Stadt Wien, nämlich die U-Bahn-Stationen sicherer zu machen und wirst dafür nicht entlohnt. Das ist, wie wenn man einem Beamten sagt, er soll mehr hackeln, aber kriegt dafür nix gezahlt«. David Stellner wird sich jedenfalls nicht bewerben: »Ich stell mich nicht hin und mach’ für die Wiener Linien den Dodel. Niemand, der auf sich und seine Musik etwas hält, wird das machen.« Auch Musiker Ernst Molden hält die Aktion für »sehr unglücklich«. »Entweder man öffnet die U-Bahn für Musiker, dann müssen alle spielen dürfen, oder die Gemeinde Wien engagiert Musiker, aber dann muss sie sie bezahlen.« Molden stößt sich auch am Auswahlverfahren: »Da entscheidet dann der Magistrat was leiwande Musik ist und was nicht?«, fragt er. »In Wahrheit ist das eine Demütigung der Musiker.« Das findet auch Friedl Preisl, ein Kenner der Szene, der etwa auch das KlezMORE Festival organisiert: »Die Kunst zu missbrauchen für die Sicherheitsbedenken der Stadt ist unmöglich«.

Wolf Goetz Jurjans – Wien Anders Bezirksrat in Wien Margareten

Erstveröffentlicht in Volksstimme Nr. 6, Juni 2017 – Infos zum Monatsmagazin Volksstimme unter www.volksstimme.at