Demokratie auf Wienerisch – 11 Stimmen sind gewichtiger als 39

Österreich ist eine Demokratie, in der alle Macht vom Volk ausgeht – so steht es sinngemäß in der Bundes-Verfassung. Der Wähler und die Wählerin dürfen daher in regelmäßigen Abständen durch die Wahl von Parteien auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene auch bestimmen wo es lang geht. Dass es alle etablierten Parteien dabei mit ihren Wahlversprechen nach der Wahl nicht so genau nehmen, soll an dieser Stelle jedoch nicht das Thema sein.

Ist Ihnen jedoch bekannt, dass in Wien die BürgerInnen mit dem richtigen Reisepass zwar ein Bezirksparlament wählen dürfen, dieses jedoch dann einerseits ziemlich recht- und zahnlos ist und andererseits diverse wichtige Funktionen auf Bezirksebene dann eher wie in einer Diktatur bestimmt werden?

Nehmen wir als konkretes Beispiel zur Veranschaulichung den Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus: Die letzte Wahl brachte folgenden Mandatsstand: 20 SPÖ, 13 FPÖ, 11 Grüne, 3 ÖVP, 2 Neos, 1 ANDAS.

Eine zentrale Funktion innerhalb des Bezirks hat der Bezirksvorsteher bzw. die Bezirksvorsteherin. Wer nun jedoch denkt, dass dieser mit einfacher Mehrheit der Mitglieder des Bezirksparlaments gewählt wird, der/die irrt gewählt. Die Nominierung eines Kandidaten/einer Kandidatin erfolgt durch die stimmenstärkste Partei – was ja noch verständlich ist. Für die Wahl, und hier wird es nun interessant, braucht es jedoch nur 50% + 1 Stimme jener Partei, die das Nominierungsrecht hat. D.h. im Fall von Rudolfsheim-Fünfhaus, dass ein Bezirksvorsteher/eine Bezirksvorsteherin gegenwärtig von bzw. durch die Zustimmung von 11 MandatarInnen der stimmenstärksten Fraktion (in diesem Fall der SPÖ) gewählt ist, selbst wenn 39 MandatarInnen einEn anderen BezirksvorsteherIn für qualifiziert erachtet hätten.

Möglich macht all dies die Stadtverfassung bzw. die Wiener Gemeindewahlordnung. Selbiges Procedere gilt übrigens auch für die StellvertreterInnen des Bezirksvorstehers bzw. der Bezirksvorsteherin sowie die/des VorsitzendEn der Bezirksvertretung und seine/ihre StellvertreterInnen.

An neue, demokratische Regelungen denken offenbar weder SPÖ noch Grüne. Und auch von Seiten der FPÖ ist dazu nichts bekannt.

Übrigens: Bezirksparlamente dürfen sich zur Causa nicht mal äußern. Ein Antrag von Wien-Anders Bezirksrat Didi Zach, in dem dieser Missstand thematisiert wurde und durch welchen sich (bei Annahme) die Bezirksvertretung dafür ausgesprochen hätte, dass sich der Gemeinderat mit einer Neufassung dieser einer Demokratie unwürdigen Passagen beschäftigt, wurde zuletzt – mit Verweis auf die Stadtverfassung – verweigert, weil damit laut Stadtverfassung das Bezirksparlament seine Kompetenzen überschreitet.

Die Wien Anders Bezirksräte werden in der Causa jedoch weiterhin am Ball bleiben und demokratische Lösungen einfordern.