Charity statt Solidarität? Reden statt Tun? Oder doch “sowohl-als-auch statt entweder-oder”

Viel Lob und Zustimmung gab es auf Facebook in den letzten Tagen für die 5 Wien ANDAS/KPÖ-Bezirksrät*innen, die insgesamt 1.000 Euro für den “Verein der Wiener Frauenhäuser” und “Asyl in Not” gespendet haben – obwohl sie teilweise selbst unter prekären Bedingungen leben.
Doch auch Kritik (und untergriffige und jenseitige Statements) gab es, die Didi Zach, Landessprecher der KPÖ-Wien, nicht unbeantwortet lassen will.

Ich möchte sehr abstrakt beginnen:
Es gibt Menschen, die davon überzeugt sind, dass der Kapitalismus für Ausbeutung, für Hunger und Not, Krieg und Tod verantwortlich ist und es daher gilt, den Kapitalismus auf den Misthaufen der Geschichte zu befördern.
So lässt sich auch in aller Kürze meine Meinung und die Meinung all unserer Bezirksrät*innen zusammenfassen.

Der Kapitalismus erweist sich jedoch seit Jahrhunderten als zählebig, sodass – wie es aussieht – auf absehbare Zeit das Leben von Milliarden Erden-Bewohner*innen auch weiterhin innerhalb der Spielregeln von Mehrwertproduktion und Profitmaximierung ausverhandelt werden wird.

Daraus ergibt sich die Frage “Was tun?”
Es gibt Menschen, die sich als links und revolutionär betrachten, die meinen, dass es genügt das kapitalistische System zu analysieren und zu kritisieren, denn irgendwann wird die Zeit reif sein bzw. kommen.
Und es gibt andere Menschen, die sich als links und als revolutionär betrachten, die meinen, dass es gilt, sich zusätzlich tagtäglich einzumischen und nicht darauf zu warten, dass der Kapitalismus irgendwann das Zeitliche segnet und sich die Hoffnung und der Wunsch erfüllen, dass damit “alle oder fast alle Probleme” gelöst sind.

Für die tagtägliche Einmischung spricht, dass Kapitalismus nicht gleich Kapitalismus ist.
Die Kinderarbeit des Manchester-Kapitalismus war im sozialstaatlich eingegrenzten Kapitalismus der 1970er Jahre zumindest in Europa kein Massenphänomen.
Die US-amerikanische Variante des Kapitalismus (“Jeder ist seines Glückes Schmied”) war und ist nicht ident mit den sozialstaatlichen Sicherungssystemen in europäischen Ländern, die zur Zeit von neoliberalen Wahnsinnigen Schritt um Schritt demontiert werden.

Ich werde gerne noch ein wenig konkreter:
Ein Bill Gates, der jährlich eine beträchtliche Summe spendet (wobei es sich angesichts seines riesigen Vermögens letztlich doch um Peanuts handelt und die Spenden zugleich steuermildernd und PR-tauglich in Szene gesetzt werden), ist mir lieber als ein Milliardär, der keinen Euro spendet.
Trotzdem werde ich nicht zum Freund von Microsoft, trotzdem trete ich für angemessene Steuern für globale Unternehmen wie Microsoft ein, trotzdem will ich das System beseitigen, welches Microsoft möglich macht.
Und noch lieber als Gates, sind mir jene Milliardäre, die einerseits spenden und andererseits eine höhere Steuerbelastung für sich und ihresgleichen als sinnvoll betrachten und dies auch öffentlich sagen.

Ein Bezirksrat, welcher Partei auch immer, der von seiner kleinen Aufwandsentschädigung, für die er ja auch was arbeitet, einen kleinen Betrag spendet, ist mir lieber als diverse Ex-Kanzler, die als Berater für dubiose Konzerne agieren. In Wirklichkeit geht es aber um ein soziales Sicherheitsnetz für Alle – garantiert von der Gemeinschaft, finanziert auf Kosten von jenen, die sich aufgrund der kapitalisitschen Logik den Mehrwert von Millionen und Milliarden Menschen aneignen können.

Revolutionärinnen und Revolutionäre haben zu jeder Zeit auf angeblich kleine aber nicht unwesentliche Nuancen im Kampf zwischen Arbeit und Kapital und im Kampf zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen geachtet, haben für kleine Fortschritte gekämpft, ohne – so wie die Sozialdemokratie – zu übersehen, dass der große stinkende Misthaufen ein Misthaufen bleibt.
Wirkliche Revolutionär*innen versuchen, die Eliminierung kleiner Fortschritte (Familienbeihilfe in gleicher Höhe für alle, die in Österreich arbeiten) oder großer Errungenschaften (8-Stunden-Arbeitstag) zu verhindern oder zumindest zu desavouieren.

Wirkliche Revolutionär*innen kämpfen für die soziale Absicherung aller Menschen durch öffentliche Strukturen und fordern zugleich ein bedingungsloses personenzentriertes Grundeinkommen für alle – trotz des Wissens, dass der Kapitalismus dann noch immer Kapitalismus ist.

Wirkliche Revolutionär*innen kämpfen für die Menschenrechte aller Menschen und gegen Hass und Rassismus – trotz des Wissens, dass damit soziale Ausgrenzung von Millionen und Milliarden von Menschen nicht der
Vergangenheit angehört, die Diskriminierung von Frauen nicht der Vergangenheit angehört.

“Sowohl-als-auch statt entweder-oder” ist sehr oft eine sehr sinnvolle Maxime. Wirkliche Revolutionär*innen spenden auch mal – und vergessen trotzdem nicht darauf, gesellschaftliche Änderung einzufordern und für diese einzutreten.

Revolutionär*innen vertrösten nicht auf den St. Nimmerleinstag.
Revolutionär*innen sind, so gut es irgendwie geht, solidarisch im hier und jetzt, ohne zu vergessen, dass Charity (aber auch Solidarität, sofern diese nicht zum Massenphänomen wird, die eine gesellschaftliche Umwälzung bewirkt) nicht die Ursache des Wahnsinns beseitigt.

In diesem Sinne stehen wir Kommunistinnen und Kommunisten, stehen die Aktivist*innen von Wien ANDAS für Reden UND Tun – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Didi Zach, Landessprecher der KPÖ-Wien und Bezirksrat für Wien ANDAS in Rudolfsheim-Fünfhaus.